Gefühlvolle Haut


1995 wurde die japanische Stadt Kobe von einem heftigen Erdbeben getroffen. Bei der Natur-katastrophe kamen etwa 6.000 Menschen ums Leben, 300.000 Einwohner verloren ihre Häuser. Kurz nach dem Erdbeben wurden in einer Studie Neurodermitis-Patienten nach ihrem Hautzustand befragt. Das Ergebnis: Bei etwa 38,4 Prozent der Patienten, die in stark zerstörten Stadtteilen wohnten, verschlimmerte sich die Neurodermitis stark. Bei einer Kontrollgruppe lag der Anteil hingegen nur bei 6,8 Prozent1.

Die Studie gilt als richtungsweisend für die Wissenschaftsdisziplin der Psychodermatologie, die den Zusammenhang zwischen psychischer Verfassung und Reaktion der Haut erforscht und das Ziel verfolgt, stressbedingten Hautausschlag oder Stresspickel besser verstehen und behandeln zu können.

Bei Stress passiert so einiges in unserem Körper: Ein komplizierter Abwehrmechanismus wird in Gang gesetzt, der den Menschen auf Kampf oder Flucht vorbereitet – eine Funktion, die für unsere Vorfahren lebenswichtig war. Bei akutem Stress werden vermehrt Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, die wichtige Organe wie Herz, Lunge und Muskeln anregen, kraftvoller zu arbeiten. Gleichzeitig produziert der Körper jedoch auch das Anti-Stress-Hormon Cortisol. Dieses behindert die körpereigenen Antibiotika, die die Haut normalerweise schützen. Somit wird die Entstehung von Hautausschlag und Pickeln bei Stress begünstigt.

Traumatische Erlebnisse in der Kindheit

In vielen Fällen liegt die Ursache von stressbedingtem Hautausschlag oder anderen Hautreaktionen wie Pickeln durch Stress bereits in der Kindheit. Wie Forscher in einer Studie herausfanden, erlebte ein übermäßiger Anteil der befragten Schuppenflechte-Patienten belastende Erfahrungen in jungen Jahren. Dass der Stress-Ausschlag bei den meisten Probanden in der Pubertät anfängt, erklären die Wissenschaftler mit der emotionalen Instabilität in dieser Phase.

Formen von Hautausschlag durch Stress


Stress kann verschiedene Erscheinungsformen von Hautreaktionen verstärken beziehungsweise hervorrufen. Typische Hautausschläge durch Stress sind:

  • Schuppenflechte (Psoriasis):
    Charakteristisch für Schuppenflechte sind gerötete Stellen, bei denen sich silbrige, linsenförmige, kleine Schuppen bilden. Meist sind Beine, Ellenbogen, Rumpf oder der Kopf betroffen.
  • Neurodermitis (Atopische Dermatitis):
    Die Krankheit, die bei vielen bereits im Kindesalter auftritt, ist vor allem am heftigen Juckreiz und den roten Hautstellen zu erkennen. Die Ausschläge treten in Schüben auf – vor allem an Knie- und Armbeugen.
  • Nesselsucht (Urtikaria):
    Die Nesselsucht tritt meist ganz plötzlich mit starkem Jucken und stecknadelkopfgroßen Quaddeln auf. Die Hautkrankheit kann ebenfalls chronisch werden.
  • Akne:
    Vor oder während der Pubertät leiden viele Jugendliche an Mitessern und eitrigen Pickeln. Aber auch im Erwachsenenalter ist Akne möglich.

Dabei können Hautausschlag und Stress zu einer Art Teufelskreis führen: Einerseits gilt Stress als Triggerfaktor (Auslöser) von Pickeln, Schuppen, Rötungen, Juckreiz und Co. Andererseits wirken stressbedingte Hautausschläge auf die Umwelt oft verunsichernd. Der Abstand, den andere Personen bei akuten Hautausschlägen bewusst oder unbewusst halten, führt bei Betroffenen nicht selten zu einem Gefühl der Isolation. Dadurch leidet das Selbstwertgefühl; mitunter entwickelt der Betroffene sogar Kontaktängste. Diese psychische Belastung des Stress-Ausschlages kann wiederum die Hautreaktion verstärken.

Behandlung von stressbedingtem Hautausschlag


In den meisten Fällen ist die Ursache von Neurodermitis oder Schuppenflechte nicht der Stress allein. Faktoren wie die erbliche Veranlagung oder Allergien tragen ebenfalls zur Entstehung der Hautkrankheiten bei – Stress verschlimmert sie nur oder stößt die letztendliche Manifestation an. Erfährt der Arzt, dass Stress oder psychische Erkrankungen wie Depressionen bei einem Patienten vorliegen, kann er die Behandlung der Hautreaktionen jedoch entsprechend anpassen.

Begleitend zur körperlichen Behandlung des Hautausschlages kann eine Psychotherapie den Hautzustand indirekt verbessern. In der Psychotherapie lernen Betroffene, mit der Hautkrankheit umzugehen und sich nicht mehr so stark auf sie zu fixieren. Dadurch sollen vor allem soziale Defizite abgebaut werden. Bei schweren psychischen Erkrankungen wie einer Depression wird der Arzt ebenfalls eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva in Erwägung ziehen.

Zudem können Entspannungsübungen oder das Erlernen spezieller Stressmanagement-Techniken den Umgang mit Stress verbessern und dadurch bei Akne und Co. helfen. Auch Tipps zur Stressreduktion im Alltag wie kleine Pausen einzulegen, autogenes Training und regelmäßiger Sport helfen, dem angestauten psychischen Stress entgegenzuwirken.

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Miriam Müller Aufgewachsen in einer Familie aus Krankenschwestern und Journalisten, interessierte sich Miriam Müller bereits sehr früh für die Themen Medizin und Medien. Nach verschiedenen Praktika im journalistischen Bereich – unter anderem bei der Deutschen Welle in Washington D.C. – absolvierte sie erfolgreich ihr Masterstudium Kommunikationswissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Miriam Müller Medizinredakteurin und Kommunikationswissenschaftlerin kanyo® mehr erfahren
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