Neurodermitis: Überblick und Faktoren, die eine Entstehung begünstigen
Begriffserklärung: Neurodermitis
Dabei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung. Die atopische Dermatitis - wie Neurodermitis ebenfalls genannt wird – äußert sich in Form von juckender, nässender sowie entzündeter Haut. Die Erkrankung tritt schubweise auf; in den Zwischenphasen ist die Haut sehr empfindlich und trocken.
Die Ursachen für die Entstehung von Neurodermitis sind vielfältig, aber noch nicht vollständig geklärt. Grundsätzlich gilt eine erbliche Veranlagung zur Überempfindlichkeit als eine der Hauptursachen von Neurodermitis. Das alleine muss allerdings noch keinen Ausbruch der Krankheit bedeuten. In der Regel tritt die atopische Dermatitis mit ihren Symptomen erst zum Vorschein, wenn weitere Auslöser hinzukommen, sogenannte Provokationsfaktoren (Trigger).
Was sind Provokationsfaktoren?
Da Neurodermitis in Schüben auftritt, befindet sich der Körper in der Zwischenzeit in einer Art „Pause“. Die Provokationsfaktoren fungieren dann als Auslöser und führen zu einem Schub. Um seine Trigger zu identifizieren, wird dem Patienten häufig angeraten, ein Tagebuch zu führen.
Was hat Neurodermitis mit dem Darm und Immunsystem zu tun?
Dass Neurodermitis mit dem Darm in Verbindung gebracht werden kann, ist auf den ersten Blick nicht besonders naheliegend, schließlich äußern sich die Symptome auf der Haut. Wo besteht also der Zusammenhang und welche Rolle spielt der Darm im Immunsystem?
Genau genommen hat nicht der Darm an sich etwas mit der Entstehung von Neurodermitis zu tun, sondern die Darmflora (intestinale Mikrobiota).
Was ist die Darmflora?
Dabei handelt es sich um die Gesamtheit aller im Darm befindlichen Mikroorganismen - über 100 Billionen Bakterien besiedeln den Darm.1 Eine intakte Darmflora ist nicht nur wichtig für den Verdauungsprozess, sondern auch verantwortlich für einen großen Teil der Immunabwehr, zum Beispiel durch die Förderung der Bildung von Immunglobulin A (Eiweiße, die für die Abwehr von Krankheitserregern zuständig sind). Die Bakterien des Darms sind somit Teil des Immunsystems und beeinflussen dieses auch. Die Darmschleimhaut beherbergt sogar mehr als 80 Prozent der körpereigenen Immunzellen.2
Die Darmflora kann – etwa durch Stress oder die Gabe von Antibiotika – aus dem Gleichgewicht geraten (Dysbiose). Das bedeutet, dass das Verhältnis zwischen den vielfältigen Bakterienstämmen gestört ist und das Immunsystem dadurch nicht in der Lage ist, Substanzen zur Abwehr und Wachstumshemmung von Krankheitserregern in ausreichender Menge zu produzieren. Die Dysbiose steht deswegen im Verdacht, ein Trigger von Neurodermitis zu sein. Der genaue Zusammenhang wird noch erforscht.
Außerdem ist die Aufgabe des Darm-Immunsystems unter anderem die Unterscheidung zwischen „guten“ Bakterien (etwa wichtig für die Verdauung) und „schlechten“ Bakterien (lösen Infektionen aus), zum Beispiel dann, wenn pathogene (krankheitserregende) Keime eindringen.
Das Problem dabei: Kann das Immunsystem diese Unterscheidung nicht mehr exakt durchführen, fällt es ihm schwer, zwischen den nützlichen und gefährlichen Bakterien zu unterscheiden. Es besteht also die Möglichkeit, dass der Körper auf Substanzen reagiert, die eigentlich unschädlich sind. Dann kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems, die den Ausbruch oder einen neuen Schub von Neurodermitis begünstigen kann.
Fazit
Die Dysbiose ist also in der Regel nicht der alleinige Auslöser von Neurodermitis. Stattdessen gilt das Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren als entscheidend.
Therapie von Neurodermitis: Die Darmflora vorbeugend aufbauen
Einige Experten empfehlen, bei der Behandlung sowie Vorbeugung von atopischer Dermatitis den Körper ganzheitlich zu betrachten. Das bedeutet, dass sich die Maßnahmen nicht nur auf die Linderung der Symptome von außen beschränken sollten (zum Beispiel in Form von speziellen Salben), sondern im Idealfall auch der Darmflora als möglichem Auslöser von Neurodermitis Beachtung schenken. Vor allem bei Kindern kann sich die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Mikrobiota als vorteilhaft erweisen.
Warum sind besonders Babys und Kleinkinder von Neurodermitis betroffen?
Die Mikrobiota des Darms ist bei Babys und Kleinkindern noch nicht vollständig ausgebildet. Das bedeutet, dass auch das Immunsystem noch nicht einwandfrei funktioniert. Erst mit dem Ende des dritten Lebensjahres stabilisiert sich die Darmflora.3 Das könnte einer der Gründe sein, warum vor allem Säuglinge und Kleinkinder an Neurodermitis leiden. Übrigens gilt das Stillen als positiver Einfluss, der die Ausbildung der Darmflora fördert.
In einer finnischen doppelblinden sowie placebokontrollierten Studie wurden schwangeren, erblich vorbelasteten Frauen Kapseln mit dem Lactobacillus GG verabreicht, einer Art von Milchsäurebakterien, die auch natürlicherweise in der Darmflora vorkommt. Nach der Geburt setzte sich die Therapie für sechs Monate fort.
Das Ergebnis: Innerhalb der ersten zwei Lebensjahre halbierte sich das Auftreten der atopischen Hauterscheinungen4 - ein möglicher Hinweis darauf, dass die Darmflora tatsächlich eine Rolle beim Ausbruch von Neurodermitis haben könnte.
Die Milchsäurebakterien werden Patienten für gewöhnlich in Form von Microbiotica verabreicht, also Präparaten mit einer Zusammenstellung von Kulturen nützlicher Bakterien. Diese sollen die Dysbiose im Darm wieder ausgleichen und bei Betroffenen einen Teil dazu beitragen, den Ausbruch von Neurodermitis durch die Behandlung dieses Auslösers zu beeinflussen. Denn als heilbar gilt die Erkrankung nicht, dennoch lassen sich die Symptome durch eine kombinierte, medikamentöse Therapie in den Griff bekommen.
Neurodermitis: Weitere potenzielle Auslöser
Neurodermitiker besitzen häufig auch eine Störung der Barrierefunktion ihrer Haut. Das bedeutet, dass bei Betroffenen die Lipidschicht (Fett und Fettsäuren zwischen den Hautzellen) defekt ist. Als Folge wird Wasser unzureichend gebunden, was sich äußerlich als trockene Haut bemerkbar macht.
Aus diesem Grund reagieren Patienten besonders empfindlich gegenüber Irritationen der Haut von außen, so zum Beispiel Seifen oder Kleidung aus Wolle. Zudem erleichtert es die gestörte Hautbarriere Bakterien, einzudringen und eine Infektion auszulösen.
Auf einen Blick – mögliche Trigger (Auslöser) von Neurodermitis
- Ungleichgewicht der Darmflora (zum Beispiel im Kleinkindalter)
- unzureichende Hautpflege (zu wenig Fette und Feuchtigkeitspflege)
- Allergien (Neurodermitis und Allergien gehen oft Hand in Hand)
- Klima (etwa Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit, aber auch trockene Heizungsluft im Winter)
- Kleidung (kratzige oder synthetische Materialien)
- emotionale Probleme (Stress, Streit, Angst und Trauer)
- Hautinfektionen (durch Bakterien, Pilze oder Viren)